Die Perfektionismusfalle

Was bedeutet es, perfektionistisch zu sein?

Perfektionismus ist meist verbunden mit extrem hohen Ansprüchen und unrealistische Erwartungen an sich selbst und an andere. Es ist das Streben nach Vollkommenheit und oft auch eine übermäßige Sorge um Details, die zu übertriebenem Verhalten führen kann. Perfektionisten wollen keine Fehler machen. Dabei haben einige vom Perfektionismus Betroffene  nur in bestimmten Bereichen zu leiden, wie zum Beispiel im Bereich der Arbeit oder bezüglich ihres Aussehens, während andere Perfektionismus in vielen Bereichen ihres Lebens erfahren.

Perfektionismus kann auf unterschiedliche Weise ausgedrückt werden. Die einen arbeiten übermäßig hart und überfordern sich selbst, andere konzentrieren sich so stark auf Details, dass sie ihre Arbeit kaum beenden können, weil sie nie „gut genug“ erscheint.

Egal welche Form des Perfektionismus der Betroffene lebt, er kann zu einer Vielzahl von Problemen führen. Er verunsichert und blockiert, nimmt einem die Lebensfreude und ist auch immer ein Angriff auf den Selbstwert. In ausgeprägter Weise führt er zu Angstzuständen, Depressionen, gnadenloser Selbstkritik und sozialer Isolation.

Ist es etwa ungesund nach Perfektion zu streben?

An hohen Ansprüchen und Standards ist grundsätzlich nichts falsch. Sie führen oft zu exzellenten Ergebnissen, zu Fortschritt und Erfolg. Aber wie in vielen Bereichen macht die Dosis das Gift. Wenn ein hoher Qualitätsanspruch und große Sorgfalt einem guten Ergebnis dienen, ist dagegen nichts einzuwenden. Wenn aber Versagensangst, Angst vor Kritik und vor Abwertung die treibende Kraft sind, entsteht ein ungesundes Verhältnis zum Qualitätsstreben.  „Das Streben danach, die Dinge besonders gut zu machen, das ist per se nichts Schlechtes. Ganz im Gegenteil sogar. Es ist ein zutiefst wichtiger Persönlichkeitszug, dass man erkennt, dass etwas nicht ganz in Ordnung ist, und dass man danach strebt, es besser zu machen“, sagt Christine Altstötter-Gleich, die an der Universität Koblenz-Landau zu Perfektionismus forscht und auch ein Buch zum Thema geschrieben hat. „Das Problem beim Perfektionismus ist viel mehr, wie man damit umgeht, wenn etwas nicht klappt.“

Ist man strebsam bemüht um ein gutes Ergebnis ohne Angst, zu scheitern, spricht man vom:

  • funktionaler Perfektionismus: Hier versuchen die Betroffenen immer ihr Bestes zu geben und strengen sich bei der Erfüllung aller Aufgaben an – sie sind ehrgeizig, können aber auch damit leben, wenn einmal etwas nicht klappt oder sie einen Fehler begehen.

Fürchtet man Abwertung und hat Angst, zu versagen, ist das ein:

  • dysfunktionaler Perfektionismus: Er ist gekennzeichnet durch das Streben nach Perfektion, ist allerdings verbunden mit starker Sorge der Betroffenen, nicht gut genug zu sein – ihr Selbstwert hängt stark davon ab, ob sie Dinge fehlerfrei und hervorragend schaffen. Durch Kritik fühlen sie sich stark abgewertet und können sie nicht als konstruktiv empfinden.

Was ist die Ursache für übertriebenen Perfektionismus?

Ob man verstärkt zu einem ungesunden Perfektionismus neigt oder nicht, ist zu einem gewissen Teil anlagebedingt. Der weit größere Teil der Ursache liegt laut Perfektionismus-Forschung allerdings im Verhalten der Eltern oder anderen Personen mit einer engen Bindung zu dem Kind. Dabei gibt es verschiedene Konstellationen:

  • Die Eltern sind selbst sehr perfektionistisch 
    Sie haben hohe Erwartungen an ihr Kind. Sie machen ihre Liebe und Zuwendung von den Leistungen des Kindes abhängig und verfolgen einen strengen Erziehungsstil.
  • Die Eltern vernachlässigen ihre Kinder oder schaffen ein chaotisches Umfeld
    Hier versuchen Kinder durch die Vermeidung von Fehlern unauffällig zu bleiben und keinen aggressiven Ausbrüche der Eltern zu provozieren. Es ist auch möglich, dass sich die Kinder komplett überfordern, weil sie die Unfähigkeit der Eltern, ein geborgenes Familienleben zu schaffen, kompensieren wollen und das ungeordnete Leben unter Kontrolle bringen wollen. Oder Kinder strengen sich deshalb enorm an, um endlich gelobt und anerkannt zu werden.
  • Die Eltern verhalten sich überfürsorglich
    Eltern, die in ständiger Sorge um das Kind sind, vermitteln ihm, dass überall und ständig Gefahren lauern. Mit permanenten Warnungen und Vorschriften versuchen sie ihre eigenen Ängste zu bändigen. Das Kind lernt dabei, dass Fehler und Unzulänglichkeiten gefährlich sind und versucht sie zu vermeiden, indem es

Eine Vorstellung von den Ursachen des eigenen Perfektionismus zu haben ist hilfreich, wenn einen die Frage umtreibt: „Warum bin ich so?“. Wenn man aber das Leiden überwinden möchte, das der Perfektionismus in einem auslöst, reicht diese Erkenntnis allein nicht.

Wie Sie Ihren übertriebenen Perfektionismus in den Griff bekommen? – einige Tipps

Entspannter mit den eigenen Erwartungen umzugehen, ist sehr befreiend und bringt Lebensfreude in den Alltag zurück. Wie das gelingen kann, ist sehr davon abhängig, in welcher Form Ihr perfektionistisches Verhalten daher kommt. Im Allgemeinen ist sich die Wissenschaft einig, dass ein starkes Selbstwertgefühl den Perfektionismus in die Schranken weist. Das ist allerdings bei perfektionistischen Menschen nicht bzw. bezogen auf bestimmte Bereiche nicht genügend ausgeprägt. Durch kleine Übungen oder bestimmte bewusste Verhaltensweisen lassen sich aber eine größere Gelassenheit und mehr Selbstsicherheit erreichen. Dadurch gelingt es auch den Selbstzweifeln zu entkommen und ein gutes Gefühl zum eigenen Wert zu entwickeln.

  1. Sie sind empfindlich gegenüber Kritik und haben Angst etwas falsch zu machen
    Dadurch verlieren Sie viel Zeit durch fortwährende Nachbesserungen.Tipp: Setzen Sie sich für bestimmte Aufgaben Zeitlimits. Diese sind dann nicht mehr verhandelbar.
    Bsp.: Sie wollen eine Präsentation fertigstellen und benötigen noch einige Bilder. Man kann 2 Stunden nach den perfekten Bildern suchen, man kann
    aber auch nach 10 Minuten die Suche beenden und das Ergebnis für ausreichend erklären. Niemand wird dadurch die Präsentation mit dem Prädikat
    „nicht gelungen“ bewerten.
  2. Sie wollen Andere beeindrucken – nach dem Motto „Euch werd ich´s zeigen!“
    Immer der Beste sein zu wollen und anderen überlegen sein zu wollen, kostet viel Kraft und gefährdet ein wertschätzendes Miteinander auf Augenhöhe.Menschen, so agieren fühlen sich erst dadurch wertvoll, wenn sie bessere Leistungen bringen als andere. Dabei liebt niemand einen „Gott“.Tipp: Machen Sie sich bewusst, dass Fehler und kleine Fauxpas menschlich sind und sympathisch wirken. Zu Unzulänglichkeiten zu stehen beweist Größe und
    wirkt authentischer als ewig makellos und unfehlbar zu erscheinen.
  3. Ihr innerer Antreiber ist gnadenlos und fordert „Du musst …!“
    Sie hören immer wieder eine innere Stimme, die Sie unentwegt antreibt. „Streng dich an!“, „Es nicht zu schaffen, bedeutet Scheitern!“ sind Sätze, die in Ihnen ganz selbstverständlich existieren. Sie haben keine Chance zu entkommen. Ihnen ist völlig klar, dass diese Stimme recht hat.
    Innere Antreiber sind oft tief verwurzelte Überzeugungen, die uns dazu bringen, uns selbst unter Druck zu setzen, um bestimmte Ziele zu erreichen.Tipp: Geben Sie dieser Stimme, Ihrem Antreiber, ein Gesicht, eine Gestalt. Erlauben Sie ihr da sein zu dürfen und reden Sie mit ihr. Stellen Sie sich dann aber selbst Fragen, wie „Ist das wirklich wichtig?“ oder „Was würde passieren, wenn ich es nicht schaffe? Welche Konsequenzen hätte das?“
    Es kann Ihnen helfen, Ihre Perspektive zu ändern und den Druck zu reduzieren.
  4. Sie fühlen sich einfach nie wirklich zufrieden und glücklich.Es gibt nur sehr wenige Situationen, in denen Sie sich locker und gelöst fühlen. Meistens sind Sie angespannt.Tipp: Hören Sie auf, sich mit anderen zu vergleichen. Dabei können Sie nur verlieren. Beim Vergleich findet man immer Menschen die Dinge besser können, die schöner sind, mehr Geld und Erfolg haben. Dabei bewertet man Stärken oft über und vernachlässigt die Schwächen, die die anderen ebenfalls haben. Wenn Sie wieder beginnen zu vergleichen, setzen Sie sich sofort ein gedankliches Stopp-Zeichen.

Siehe auch: Psychologische Beratung
Bild: Perfektionismus @ AndreyPopov/depositphotos.com

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